Die Aufrechterhaltung stabiler ORP-Werte spielt auch eine besondere Rolle für die korrekte Funktion unseres Körpers, da der Stoffwechsel auf einem präzisen Mechanismus miteinander verbundener Redoxsysteme beruht. In den letzten Jahrzehnten hat man sich zunehmend mit der Verwendung von Antioxidantien beschäftigt, um eine bessere Lebensqualität zu erreichen. Ein Beispiel dafür ist Wasser, mit einer geringer oxidierenden Wirkung als normales Leitungswasser. Die Nachfrage nach diesem speziellen Wasser ist in den letzten Jahren gestiegen. Es wird unter anderem in Getränken, Lebensmitteln, Bädern, künstlichen Körperflüssigkeiten, Kosmetika und Hautpflegeprodukten verwendet [4].
Das Oxidations-Reduktions-Potential (ORP), auch bekannt als Redox-Potenzial, beeinflusst viele unserer täglichen Routinen, wie beispielsweise das einfache Öffnen eines Wasserhahns. ORP (ausgedrückt in Millivolt, mV) ist ein Mass für die Tendenz einer chemischen Spezies, Elektronen von einer Elektrode aufzunehmen (oder Elektronen an diese abzugeben) und dadurch reduziert bzw. oxidiert zu werden [1]. Dieser Parameter kann dazu verwendet werden, um den Zustand chemischer Spezies in verschiedenen Probenmatrizes vorherzusagen, die Wasserqualität zu überwachen, Fermentationsprozesse zu kontrollieren und die Abwasserbehandlung zu optimieren, wodurch verhindert wird, dass höhere Stoffkonzentrationen freigesetzt werden, als die gesetzlichen Grenzwerte zulassen. Die Messung von ORP-Werten ist ein fortlaufender Vorgang in vielen Industriebereichen, der eine Verbesserung der derzeit verfügbaren Instrumentierung erfordert, um den Messprozess zu erleichtern.
ORP-Bedeutung im Bereich der Wasserchlorung
Im Jahr 1854 kam es zu einem öffentlichen Gesundheitsnotstand, als mehr als 600 Menschen innerhalb eines Monats an den Folgen eines Cholera-Ausbruchs in einem Gebiet von einem knappen halben Kilometer Durchmesser in London starben. John Snow, ein englischer Arzt, sprach mit den Anwohnern und erstellte eine Karte, auf der die Cholera-Vorkommen in diesem Gebiet verzeichnet waren. Er identifizierte als Quelle des Ausbruchs die öffentliche Wasserpumpe, die Trinkwasser aus einem mit Exkrementen kontaminierten Brunnen lieferte. Durch das Entfernen des Pumpengriffs wurde die weitere Nutzung des verseuchten Brunnens verhindert und somit der Ausbruch der Cholera beendet. Dank seiner Forschungen wurde John Snow zu einem der Begründer der modernen Epidemiologie, und in der Folge wuchs die Bedeutung der Wasseraufbereitung für den menschlichen Konsum.
Die Trinkwasserqualität ist eindeutig ein kritisches und wichtiges Anliegen der öffentlichen Gesundheit. Wenn man sich auf die Wasserqualität aus öffentlichen Brunnen nicht verlassen kann, wie soll es dann möglich sein, keimfreies Trinkwasser für Tausende (oder Millionen) von Menschen in Städten anzubieten? Wie sieht es wiederum in ländlichen Gebieten oder in der Wildnis aus, wo sauberes Wasser nicht immer ohne weiteres zugänglich ist? Die Antwort auf diese Fragen liegt im Prozess der Wasseraufbereitung durch Chlorung.
In seiner elementaren Form ist Chlor (Cl2) ist ein giftiges Gas. Wenn es dem Wasser zugesetzt wird, verursacht Cl2 Veränderungen in den bakteriellen Zellwänden und zerstört die darin enthaltenen Proteine und DNA. So funktioniert der Mechanismus, durch den Chlor Mikroorganismen abtötet – es beeinträchtigt ihre lebenswichtigen Funktionen, bis sie absterben und nicht mehr in der Lage sind, Krankheiten zu verbreiten. Durch die Zugabe von Chlor zur Desinfektion kommunaler Wassersysteme wird das Risiko einer Ansteckung mit Cholera, Typhus, Ruhr und Polio minimiert.
Die Chlorierung von Wasser kann mit elementarem Chlorgas durchgeführt werden, viel sicherer ist jedoch die Verwendung von flüssigem Natriumhypochlorit oder festem Calciumhypochlorit. Diese Verbindungen chlorieren das Wasser, indem sie "freies Chlor" erzeugen, das Krankheitskeime angreift und so den Desinfektionsprozess mit Chlor vielseitiger und benutzerfreundlicher macht.
Da Chlor ein giftiges Element ist, fragen Sie sich vielleicht, ob es eine Methode gibt, um zu kontrollieren, wie viel davon dem Wasser zugesetzt wird? Die Messung des Oxidations-Reduktions-Potenzials (ORP) bietet eine zuverlässige Lösung für dieses Problem.
Das Messkonzept mit ORP-Sensoren
ORP quantifiziert die Fähigkeit einer Substanz, eine andere Substanz zu oxidieren oder zu reduzieren. Ein Oxidationsmittel zieht es beispielsweise vor, Elektronen von einer anderen Substanz zu stehlen, wodurch es selbst negativer geladen wird und die andere Substanz positiv auflädt. Dieser Vorgang erzeugt ein nachweisbares Potential zwischen den beiden Substanzen.
In der Praxis ist das ORP die direkte Messung von Elektronen, die bei Oxidations-Reduktions-Reaktionen übertragen werden. Daher bewertet das ORP die Fähigkeit einer Lösung zur Elektronenübertragung (Oxidation oder Reduktion) und wird in Millivolt (mV) gemessen. Das bedeutet, dass unter oxidativen Bedingungen die in die Lösung eingetauchte Arbeitselektrode Elektronen verliert, wodurch ein positives Potenzial entsteht. Im Gegensatz dazu fliessen in einer reduzierenden Umgebung Elektronen von der Lösung zur Arbeitselektrode und erzeugen dabei ein negatives Potential. Während ein Reduktionsmittel ein Elektron verliert, kann das Oxidationsmittel ein Elektron aufnehmen. Man kann also sagen, dass starke Reduktionsmittel zu einem negativeren ORP-Wert führen, während stärkere Oxidationsmittel zu einem positiveren ORP-Wert führen. Dieses Konzept wird im Folgenden veranschaulicht.
Das Ziel eines ORP-Sensors ist es, diese kleinen Potentialunterschiede zu messen. Ermöglicht wird dies durch einen Stromkreis, der aus einer Arbeitselektrode (dem positiven Pol des Stromkreises, in der Regel ein inertes Material, z. B. Platin oder Gold) und einer Referenzelektrode (dem negativen Pol) besteht, die in die Lösung eingetaucht sind. Die Höhe des erzeugten Millivolt-Potentials hängt von der Konzentration der Oxidationsmittel und Reduktionsmittel in der untersuchten Lösung ab.
Zurück zur Diskussion bezüglich Chlorung und ORP: Eine ausreichende Wasserdesinfektion ist nur möglich, wenn eine bestimmte Chlorkonzentration erreicht wird. In Anbetracht der Tatsache, dass hohe Chlorkonzentrationen für den Menschen giftig sein können, ist es wichtig, den ORP-Wert des Wassers während des Chlordesinfektionsprozesses genau zu kontrollieren.
Das Vorhandensein eines oxidierenden Mikrobiozids (z. B. Chlor) erzeugt eine oxidierende Umgebung und damit ein hohes ORP-Niveau. Dies steht im Gegensatz zu reduzierenden Umgebungen mit niedrigeren ORP-Werten, in denen sich Keime normalerweise vermehren. Die kontrollierte Aufrechterhaltung des ORP-Wertes im Wasser macht die Chlorung zu einem sichereren Verfahren. 1971 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass „ein Redoxpotential von 650 mV (gemessen zwischen Platin- und Standard-Kalomel-Referenzelektrode) eine fast sofortige Inaktivierung selbst hoher Viruskonzentrationen bewirkt“ [2]. Dieser Wert wurde später als Mindest-ORP-Wert für die Sicherheit des Menschen empfohlen und in die Gesetzgebung öffentlicher Schwimm- und Heilbäder aufgenommen.
In den letzten Jahren hat elektrolysiertes Wasser (EW) als Desinfektionsmittel in der Lebensmittelindustrie in vielen Ländern an Popularität gewonnen. Obwohl diese Technologie bereits seit über 40 Jahren existiert, sind Unternehmen, die solche Lösungen herstellen, erst seit kurzem auf dem Weltmarkt vertreten. Dieses Desinfektionsmittel auf Chlorbasis ist das Produkt der Elektrolyse einer verdünnten Natriumchlorid (NaCL)-Lösung, die in saures Elektrolysewasser (ORP-Wert >1100 mV) und basisches Elektrolysewasser (ORP-Wert zwischen -800 und -900 mV) dissoziiert. Indem diese Technologie allgemein zugänglich gemacht wird, kann die Chlordesinfektion der Wasserversorgung dort, wo sie relativ weit entwickelt ist, weiterhin Leben retten [3].
Anwendungsbeispiele – ORP-Überwachung in realen Situationen
Das zu Beginn dieses Artikels vorgestellte Beispiel über die Trinkwasserqualität und ihre Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit ist nur einer von unzähligen Prozessen, die unser tägliches Leben betreffen und bei denen die Kontrolle der ORP-Werte notwendig ist. Nachfolgend finden Sie eine Auswahl davon, gefolgt von einer Grafik, die ORP-Kontrollbereiche für viele Arten von industriellen Prozessen zeigt.
ORP-Messung mit siebgedruckten Elektroden (SPEs)
Wie in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt wurde, ist das ORP ein sehr nützlicher Parameter, der in vielen verschiedenen Situationen kontrolliert werden muss. Dazu gehören industrielle Bereiche, in denen grosse Mengen an Proben in offenen Bereichen gemessen werden müssen, bis hin zu Analysen im Labormaßstab, in denen minimale Mengen an biologischen Proben getestet werden müssen.
Die Verwendungszwecke der ORP-Messung sind sehr vielfältig und können komplex sein. Es ist nicht einfach, Messgeräte zu entwickeln, die den Anforderungen in so vielen Bereichen gerecht werden, aber dank der Miniaturisierung der Messgeräte und der Entwicklung von Einwegsensoren (z. B. SPEs) wurde dies jetzt deutlich vereinfacht.
Die zahlreichen Anforderungen verschiedener Branchen, die das ORP messen müssen, passen perfekt zu den folgenden Vorteilen, die sich aus der Verwendung von SPEs und miniaturisierten Messgeräten ergeben. Dazu gehören Portabilität, Zugang, Praktikabilität, kleine Probenmengen und Zuverlässigkeit.
Diese Vorteile werden bei der Verwendung des ORP-Kits von Metrohm DropSens mehr als deutlich. Das ORP-Kit ist eine komplette All-in-One-Lösung zur Messung des Oxidations-Reduktions-Potentials. Dieses Kit enthält alle notwendigen Komponenten, für eine ORP-Analyse: ORPSTAT (das Hauptgerät), ORPSEN (Einwegsensoren) und ORPSTD (Redox-Standardlösung).
- Portabilität ist für Messungen vor Ort ein Muss. Dank der Miniaturisierung bieten Potentiostaten wie der ORPSTAT ein benutzerfreundliches Interface, bei dem der ORP-Wert der Probe einfach auf einem LCD-Display abgelesen werden kann. Dieses tragbare, mit einem Lithium-Ionen-Akku betriebene Gerät, ist mit 9,0 × 6,0 × 2,5 cm (L × B × T) kompakt, handlich und wiegt nur 100 g.
- Der Zugang zu den Daten ist notwendig, um eine grosse Anzahl von ORP-Werten untersuchen zu können, insbesondere wenn ein Screening im Labor oder eine Probenahme im Feld erforderlich ist. Das ORP-Kit von Metrohm DropSens ermöglicht Benutzern nicht nur die Überprüfung der Ergebnisse auf dem LCD-Display, sondern auch eine interne Datenspeicherung. Alle ermittelten ORP-Werte werden im internen Speicher des Geräts gespeichert und können für den weiteren Zugriff als auch zur Auswertung auf einen PC heruntergeladen werden.
- Die Praktikabilität erleichtert die Verwendung des Messgerätes samt Ausrüstung bei der Handhabung komplexer Proben. Das Metrohm DropSens ORP-Kit ist das am besten geeignete System zur Durchführung von In-situ-ORP-Messungen mit teuren, seltenen oder gefährlichen Proben (z. B. biologische Proben oder Abwasser). Die Messung mit Einwegsensoren (ORPSEN SPEs) bietet dem Anwender den Vorteil, dass die ORP-Sonde nach der Messung solcher Proben nicht gereinigt werden muss. Dies ist besonders im industriellen Bereich nützlich, wo häufig komplexe wässrige Matrizes getestet werden.
- Die Auslegung auf kleinen Probenmengen ist besonders bei der Untersuchung von biologischen Flüssigkeiten von Vorteil. Die Miniaturisierung bietet den Anwendern nicht nur Portabilität, wenn es um das ORP-Gerät geht, sondern dank der ORPSEN-SPEs sind nur 60 µL Probenvolumen erforderlich, um dezentrale oder „Point of Care“ (PoC)-Tests durchzuführen.
- Zuverlässigkeit ist eine wünschenswerte Eigenschaft für jede Art von Sensor, aber zwingend erforderlich für das ORP, da genau definierte Bereiche präzise kontrolliert werden müssen. ORPSEN-Elektroden sind in der Lage, ORP-Werte mit ausreichender Genauigkeit zu messen, um die Anforderungen in verschiedenen Anwendungsbereichen zu erfüllen. Darüber hinaus liegt diesen Sensoren eine Redox-Standardlösung bei (ORPSTD), zur Überprüfung der Genauigkeit der ORP-Messungen.
Zusammenfassung
Die Arbeit mit einem miniaturisierten Potentiostaten ermöglicht einfachere ORP-Messungen vor Ort, während die Verwendung von siebgedruckten Einwegelektroden solche Messungen auch unter unhygienischen Bedingungen oder unter Umständen ermöglicht, in denen herkömmliche Elektroden oder andere Systeme nicht ausreichend poliert oder gereinigt werden können. Metrohm DropSens präsentiert ein komplettes Kit für die zuverlässige, einfach anzuwendende und reproduzierbare Messung des ORP: das ORP-Kit.
Die Siebdrucktechnologie bietet Anwendern die Möglichkeit, in Bereichen wie Umweltprüfungen, Agrarlebensmitteln, Biotechnologie und der Qualitätskontrolle industrieller Prozesse zu arbeiten. Darüber hinaus eignet sich diese Technologie hervorragend für biomedizinische Forschungsstudien, bei denen Proben teuer, knapp oder gefährlich sein können und nur ein sehr kleines Probenvolumen gefordert wird. Zudem erfordern diese Sensoren keine Wartungs- oder Reinigungsverfahren, da sie nach Abschluss eines Tests entsorgt werden können, was ihren Einsatz in allen Forschungsbereichen erleichtert.
[1] Reduktionspotential. Wikipedia. https://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Reduktionspotential&oldid=1144568308 (abgerufen am 23.03.2023).
[2] Weltgesundheitsorganisation. Internationale Standards für Trinkwasser (3. Ausgabe); 1971; Vol. 87. https://apps.who.int/iris/handle/10665/39989
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