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Die Sauerstoffreduktionsreaktion (ORR) ist eine der am häufigsten untersuchten Reaktionen im Bereich der Elektrokatalyse. Die ORR in wässrigen sauren Elektrolyten kann je nach Reaktionsbedingungen auf verschiedenen Wegen ablaufen. In den meisten Fällen ist die gewünschte Reaktion der in Gleichung 1 dargestellte 4-Elektronen-Prozess. Andere mögliche Reaktionswege umfassen die Kombinationen von Gleichungen 2 und 3, wobei H2O2 als Zwischenprodukt gebildet wird, sowie die Gleichungen 2 und 4, bei denen die Reduktion unvollständig verläuft.

Wenn Wasserstoffperoxid (H2O2) als Produkt oder Zwischenprodukt während der ORR gebildet wird, kann es elektrochemisch durch seine Oxidationsreaktion nachgewiesen werden, Gleichung 5.

Die ORR wird im Allgemeinen unter hydrodynamischen Bedingungen untersucht, wobei eine rotierende Arbeitselektrode (WE) verwendet wird, um eine erzwungene Konvektion innerhalb der elektrochemischen Zelle zu erzeugen. Diese Vorgehensweise dient dazu, eine stabile Massentransfer-limitierte Stromdichte zu erreichen, die andernfalls aufgrund der langsamen Reaktionskinetik schwer aufrechtzuerhalten wäre. In dieser Application Note wird eine rotierende Ringscheibenelektrode (RRDE) zur Untersuchung der ORR verwendet.

 

Für das Experiment wurde ein Autolab PGSTAT302N Potentiostat/Galvanostat, erweitert mit einem BA-Modul zum Bipotentiostaten, in Kombination mit der Autolab RRDE-Hardware eingesetzt. Die Messungen wurden in einer Vier-Elektroden-Konfiguration unter Verwendung der elektrochemischen Autolab RRDE-Zelle durchgeführt.

Da die elektrochemischen Signale von Pt-Elektroden empfindlich auf Systemverunreinigungen reagieren, wurden alle Zellkomponenten, die mit dem Elektrolyten in Berührung kommen, gründlich gereinigt. Das Reinigungsprozedere bestand darin, die Komponenten in eine verdünnte Lösung aus H2SO4 mit H2O2 zu tauchen und anschließend mehrmals mit kochendem Wasser zu spülen. Als Arbeitselektrode diente eine rotierende Ring-Scheibenelektrode (RRDE) mit einer Pt-Scheibe (WE1) und einem Pt-Ring (WE2). Die RRDE-Elektroden haben eine theoretische Kollektoreffizienz von 24,9 % basierend auf der Geometrie der Scheibe und des Rings. Die Bestimmung der experimentellen Kollektoreffizienz und die Bedeutung der theoretischen Kollektoreffizienz werden in dieser Application Note nicht weiter vertieft. Als Gegenelektrode (CE) wurde ein Platinblech und als Referenzelektrode (RE) eine Ag/AgCl-Elektrode in Double-Junction-Ausführung verwendet, mit wässriger 3 M KCl-Lösung als Innenelektrolyt und 0,5 M H2SO4 als Außenelektrolyt. Sowohl die CE als auch die RE wurden in die Messzelle in einer Höhe etwas oberhalb des RRDE-Elektrodenendes eingesetzt, um eine Störung des hydrodynamischen Strömungsprofils zu vermeiden. 0,5 M H2SO4 wurde als Elektrolyt verwendet und vor Beginn der Experimente fünfzehn Minuten lang mit hochreinem O2-Gas gespült, um eine gesättigte Konzentration an gelöstem O2 zu erreichen. Während der Messung wurde O2-Gas über die Oberfläche des Elektrolyten geleitet, um sicherzustellen, dass die Konzentration an gelöstem O2 stabil bleibt.

 

Mit der Nova-Software wurde die Standard-Messprozedur "Hydrodynamic linear sweep with RRDE" durchgeführt. Dabei wurde mittels Linear Sweep Voltammetry (LSV staircase) an der Elektrodenscheibe ein Spannungsbereich von 0,70 bis –0,20 V gegen Ag/AgCl bei verschiedenen Rotationsraten (𝜔) abgefahren. Am Elektrodenring wurde das Potential auf 1,00 V eingestellt und die Stromantwort aufgezeichnet.

Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse eines typischen ORR-RRDE-Experiments. Die blauen Messkurven entsprechen dem Strom an der Pt-Scheibe (WE1) während eines Spannungsverlaufs von 0,70 bis -0,20 V bei einer Scan Rate von 50 mV s-1 mit verschiedenen Rotationsraten (𝜔). Die roten Messkurven entsprechen dem Stromsignal am Pt-Ring (WE2), dessen Potential während des ganzen Experiments auf einen Wert von 1,00 V fixiert ist.

Abbildung 1. Darstellung der Strommessdaten der Elektrodenscheibe (blaue durchgezogene Linien) und des Elektrodenrings (rote gestrichelte Linien) gegen das Scheibenpotential, aufgenommen während der hydrodynamischen RRDE-Studie der ORR unter Verwendung einer Pt-Scheibe und eines Pt-Rings.

 

Die 𝜔-Werte variierten zwischen 500 und 3000 U/min; sie wurden im Hinblick einer geeigneten Darstellung (Stromdichte gegen Wurzel der Rotationsgeschwindigkeit) im Levich-Plot gewählt. Wenn das Potential an der Scheibe von hohen zu niedrigen Werten abgefahren wird, führt der Beginn der ORR zu einem Anstieg des negativen (kathodischen) Stromsignals, welches bei ca. 0,65 V zu erkennen ist.

Der Strom nimmt mit abnehmendem Potenzial zu und erreicht schließlich einen Plateaubereich bei etwa E = 0,20 V bis -0,10 V. Dieses Plateau ist in der Voltammetrie auch als Massentransfer-limitierte Region bekannt, in der die Geschwindigkeit der ORR-Reaktion begrenzt ist durch die Verfügbarkeit von Sauerstoff an der Elektrodenoberfläche. Der kathodische Strom nimmt mit zunehmender Rotationsgeschwindigkeit ω gemäß der Levich-Beziehung zu. Bei niedrigen Potenzialwerten (d. h. unter -0,10 V) sinkt der kathodische Strom, da die Adsorption von Wasserstoff an der Pt-Elektrodenoberfläche die ORR stört. Das Potenzial am Ring ist durchgehend auf 1,00 V eingestellt, daher gilt die        X-Achse des Diagramms in Abbildung 1 nicht für die Ringdaten. Obwohl das Potential des Rings auf einen konstanten Wert eingestellt ist, ändert sich das Stromsignal am Ring, wenn das Potential an der Elektrodenscheibe abgefahren wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Scheibe und der Ring in unmittelbarer Nähe zueinander befinden (zwischen Scheibe und Ring liegt ein Abstand von 375 𝜇𝑚). Die chemische Umgebung an der Scheibe beeinflusst daher den Ring. Wenn Sauerstoff an der Scheibe reduziert wird, diffundieren Reaktionsprodukte, wie bspw. H2O2, von der Scheibe an den Ring und können dort weiter reagieren. Die Oxidation von H2O2 führt dort zu einem ansteigenden positiven (anodischen) Stromsignal und somit ist der Strom am Ring ein Indikator für die H2O2-Produktion an der Scheibe. Der anodische Strom am Ring nimmt zu, wenn das Potential an der Scheibe erniedrig wird und dadurch die ORR signifikant ansteigt. Sobald der Strom an der Elektrodenscheibe durch den Massentransfer begrenzt ist (Plateaubereich der blauen Kurven), bleibt der durch die H2O2-Oxidation am Ring erzeugte Strom auf einem relativ stabilen Wert. Wenn der kathodische Scheibenstrom aufgrund des gebildeten adsorbierten Wasserstoffs auf der Oberfläche abnimmt, steigt der Ringstrom stark an. Dies deutet auf eine Änderung des ORR-Mechanismus hin, bei dem ein größerer Teil der Reaktion nun die H2O2-Produktion begünstigt.

Abbildung 2 zeigt die Levich- und Koutecký-Levich-Plots für die ORR, die den Zusammenhang zwischen Strom und Rotationsgeschwindigkeit bei einem festen Potential veranschaulichen.

Abbildung 2. Lineare Sweep Voltammetrie-Profile (oben) der Scheibenelektrode bei verschiedenen Rotationsgeschwindigkeiten; der Potentialwert für die Levich- und Koutecký-Levich-Analyse ist markiert. Levich Plot (Mitte) und Koutecký-Levich Plot (unten).

Wenn der Potentialwert der i vs. E-Messkurven so gewählt wird, dass er sich innerhalb des Massentransfer-limitierten Plateaus befindet, folgt der Levich Plot einem linearen Verlauf gemäß Gleichung 6.

Wenn das Potenzial aus einem Bereich gewählt wird, in dem der Strom einer Mischung aus kinetischer Kontrolle und Massentransfer-Kontrolle unterliegt, hat der Koutecký-Levich Plot einen linearen Verlauf gemäß Gleichung 7.

 

Für die Gleichungen 6 und 7, werden die Variablen wie folgt definiert:

A (cm2) ist die geometrische Fläche der Scheibe

F (= 96485 C mol-1) ist die Faraday-Konstante

D (cm2 s-1) ist der Diffusionskoeffizient von O2 im Elektrolyten 

𝑣 (cm2 s-1) ist die kinematische Viskosität des Elektrolyten

C (mol cm-3) ist die O2-Konzentration im Elektrolyten

𝜔 (rad s-1) ist die Kreisfrequenz der Rotation

𝑛 ist die Anzahl der an der Reaktion beteiligten Elektronen 

Die Levich- und die Koutecký-Levich Plots können durch lineare Regression gefittet werden, um die Steigungen und Achsenabschnitte zu berechnen. Für den Koutecký-Levich Plot wird der kinetische Strom ik aus dem y-Achsenabschnitt berechnet und entspricht 1/ik. Gemäß Gleichung 8 kann der Wert ik mit der Geschwindigkeitskonstanten 𝑘 für den Elektronentransfer in Relation gesetzt werden. Damit Gleichung 8 angewendet werden kann, muss die Anzahl der an der Reaktion beteiligten Elektronen 𝑛 bekannt sein.

Informationen über den vorherrschenden Mechanismus bei einem bestimmten Potentialwert können anhand der Anwesenheit von H2O2 am Ring (WE2) ermittelt werden. Die in Abbildung 1 dargestellten Daten deuten darauf hin, dass die ORR bei Potentialwerten innerhalb des durch den Massentransfer-limitierten Plateaus über eine Mischung aus dem Vier-Elektronen- und dem Zwei-Elektronen-Weg abläuft. Bei niedrigeren Potentialen als -0,10 V dominiert der Zwei-Elektronen-Mechanismus, was durch den Anstieg des am Ring nachgewiesenen H2O2 belegt wird.

Der Diffusionskoeffizient von Sauerstoff im System kann anhand des Steigungswerts aus der linearen Regression im Levich-Plot, wie in Abbildung 2 dargestellt, berechnet werden. Die für diese Berechnung erforderlichen systembezogenen Variablen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Es wird davon ausgegangen, dass die Konzentration von O2 im Elektrolyten seiner Löslichkeit entspricht, d. h. die Lösung ist gesättigt. Dieses Experiment ergibt einen Diffusionskoeffizienten für Sauerstoff im Elektrolyten von 7,6E-5 cm2 s-1, wenn ein Vier-Elektronen-Prozesses angenommen wird und 2,2E-5 cm2 s-1 für die Annahme, dass zwei Elektronen übertragen werden. In Wirklichkeit tragen beide Prozesse zu dem gemessenen elektrochemischen Signal bei. Der Wert des Diffusionskoeffizienten ist hoch, verglichen mit dem Literaturwert von 1,4E-5 cm2 s-1 (siehe Referenzen). Ein Grund hierfür kann die Empfindlichkeit gegenüber experimentellen Parametern wie der O2-Konzentration im Elektrolyten sein, die wahrscheinlich die größte Unsicherheitsquelle bei dieser Messung darstellt.

Tabelle 1.
Systemvariablen für die Sauerstoffreduktionsreaktion in einem 0,5 M H2SO4-Elektrolyten bei Zimmertemperatur.Form
Parameter  Wert  Einheit 
Kinematische Viskosität  0,010 cm2 s–1
Löslichkeit von O2
1,1E-6

mol cm-3

Geometrische Fläche der Elektrode 0,20  cm2

In dieser Application Note wurde das Autolab RRDE-System zur Untersuchung der Sauerstoffreduktionsreaktion mittels einer Pt-Scheiben-/Pt-Ringelektrode verwendet. Das während der ORR an der Scheibenelektrode gebildete H2O2 wurde an der Ringelektrode nachgewiesen; sein Vorhandensein wurde als Indikator für den Reaktionsweg verwendet. Die Levich- und Koutecký-Levich-Plots wurden mittels einer linearen Regression gefittet. Die resultierenden Gleichungen können zur Berechnung des Diffusionskoeffizienten von O2 im Elektrolyten, der Anzahl der während der Reaktion übertragenen Elektronen und der Geschwindigkeitskonstante für den Elektronentransfer verwendet werden.

Form

  1. N / A Anastasijevic et al. J. Elektroanal. Chem. 229 (1987) 305
  2. Nenad M. Marković et al. J. Phys. Chem. 99 (1995) 3411
  3. Carlos M. Sánchez-Sánchez und Allen J. Barde. Anal. Chem. 81 (2009) 8094
  4. Francisco J. Vidal-Iglesias et al. Electrochem. Commun. 15 (2012) 42.
  5. AlfredB. Anderson. Elektrokat. 3 (2012) 176.
  6. KL. Hsueh et al. Electrochimica Acta. 28 (1983) 691.

 

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