Elektrochemische Experimente werden im Allgemeinen in Messzellen mit ruhenden Elektrolyten durchgeführt. Das bedeutet, dass Molekül- und Ionenbewegungen durch den natürlichen Konvektionsprozess stattfinden. In der Elektrochemie ist jedoch manchmal eine erzwungene Konvektion erforderlich. In solchen Fällen ist die Verwendung von rotierenden Arbeitselektroden vorteilhaft, da damit hydrodynamische Bedingungen erzeugt werden, bei denen Arbeitselektrode und Elektrolyt in relativer Bewegung sind.
Welche Applikationen profitieren vom Einsatz rotierender Elektroden?
Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst den Unterschied zwischen ruhenden Lösungen und hydrodynamischen Bedingungen näher erläutert. Unterschiede zwischen laminarer und turbulenter Strömung erörtert wurden, werden die drei wichtigsten rotierende Elektroden und dazu passenden Anwendungen vorgestellt.
Ruhende Lösungen
Der an der Arbeitselektrode gemessene Strom ist das Ergebnis von Redoxreaktionen zwischen Elektronen und Reaktanten an der Elektroden-Elektrolyt-Grenzfläche. Die Reaktanten werden durch Massentransport an diese Grenzfläche gebracht.
Der Massentransport entsteht durch drei Prozesse:
- Diffusion aufgrund von Konzentrationsunterschieden zwischen dem Elektrolyten und der Grenzfläche.
- Migration aufgrund des Vorhandenseins eines elektrostatischen Potentials. Die Migration wird in der Regel vernachlässigt, indem der Lösung ein Grundelektrolyt zugesetzt wird, der nicht an der Redoxreaktion teilnimmt, aber die Leitfähigkeit des Elektrolyten erhöht.
- Natürliche Konvektion durch Dichteänderungen innerhalb der Lösung. Dieser Prozess erfolgt in ruhenden Lösungen.
Während der elektrochemischen Oxidation einer in Lösung befindlichen Spezies, erfolgt der Massentransport mit einer höheren Rate (Geschwindigkeit) als der Ladungstransfer der Oxidation. Die Ladungstransfer nimmt mit dem gemessenen Strom zu. Dieses Phänomen tritt auf, bis beide Vorgänge gleich schnell ablaufen und daher der Strom einen Maximalwert erreicht. Danach ist der Massentransport langsamer als der Ladungstransfer, was zu einer Abnahme des Stroms führt.
Das Voltammogramm, das sich aus diesen Phänomenen ergibt, zeigt einen Peak im Stromverlauf.
Abbildung 1 zeigt bspw. die resultierenden Voltammogramme während der Oxidation von Fe+2 zu Fe+3 bei verschiedenen Scanraten in einer ruhenden Ferro/Ferri-Lösung.
Hier ist zu erkennen, dass der Peakstrom mit zunehmender Scanrate ansteigt.
Hydrodynamische Bedingungen
Durch Rotation der Arbeitselektrode kann in der Messzelle eine Konvektion erzwungen werden. Die Rotation erzeugt dabei eine Wirbelbewegung im Elektrolyten, wodurch der Massentransport der Reaktanten an die Grenzfläche erhöht und parallel die entstehenden Produkte von der Grenzfläche entfernt werden.
Die aus der Rotation resultierende Strömung des Elektrolyten kann als laminar oder turbulent klassifiziert werden.
Laminare Strömung
Die laminare Strömung zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Flüssigkeit schichtweise bewegt. Jede Schicht bewegt sich zwischen den benachbarten Schichten mit geringer oder gar keiner Vermischung. In Abbildung 2 ist eine schematische Darstellung der laminaren Strömung in Bezug auf eine rotierende Elektrode dargestellt.
Während einer elektrochemischen Reaktion unter hydrodynamischen Bedingungen mit laminarer Strömung steigt der Strom an, bis der Massentransport schneller ist, als die Reaktionsgeschwindigkeit. Der Strom erreicht schließlich einen Grenzwert, bei dem die Geschwindigkeit der Redoxreaktion und die Geschwindigkeit des Massentransports gleich sind, was zu einem Plateau im Voltammogramm führt. Dieser Grenzwert bleibt konstant, bis die Reaktion abgeschlossen ist. Der Grenzstrom ist proportional zur Rotationsrate der Elektrode, wie in Abbildung 3 dargestellt, in der die Oxidation von Fe+2 zu Fe+3 unter hydrodynamischen Bedingungen untersucht wird.
In diesem Fall gilt: Je höher die Rotationsrate, desto höher der Grenzstrom.
Turbulente Strömung
Turbulente Strömung ist das Ergebnis chaotischer Änderungen der Strömungsgeschwindigkeit und des Drucks. Sie tritt an den Seiten einer rotierenden Elektrode auf (Abbildung 4).
Die turbulente Strömung, die durch Messungen mit rotierenden Elektroden erzeugt wird, stellt ähnliche Bedingungen her, wie sie beispielsweise in einer Rohrleitung herrschen.
Der folgende Abschnitt befasst sich mit verschiedene Arten von rotierenden Elektroden und dazu passenden Anwendungen:
- Rotiernde Scheibenelektrode (RDE)
- Rotierende Ringscheibenelektrode (RRDE)
- Rotierende Zylinderelektrode (RCE)
Rotierende Scheibenelektrode
Die rotierende Scheibenelektrode (RDE) ist ein Zylinder mit einer mittig angebrachten Scheibe, die als aktive Oberfläche dient. Diese Scheibe besteht aus einem Metall, Glaskohlenstoff oder einer Legierung (Abbildung 5).
Glaskohlenstoff wird in der Elektrokatalyse verwendet, bspw. als inertes Elektrodenmaterial für die Wasserstoffreduktion, ist aber auch gut geeignet für Katalysatoren. Dies können auf seiner Oberfläche sowohl adsorbiert als auch abgeschieden werden.
RDEs werden eingesetzt, um eine laminare Strömung zu erzeugen. Sie werden oft in grundlegenden elektrochemischen Experimenten verwendet, um die Eigenschaften von Elektrolyten zu untersuchen. Sie werden ebenso in Studien zur Elektrokatalyse eingesetzt, um die Wirksamkeit von Katalysatoren zu messen, als auch in Sensoren zur Untersuchung des Detektionsmechanismus.
Rotierende Ringscheibenelektrode
Die rotierende Ringscheibenelektrode (RRDE) ist ein Zylinder mit zwei aktiven Oberflächen, die beide als Arbeitselektrode dienen (Abbildung 6). Eine Arbeitselektrode besteht aus einer Scheibe aus Platin, Gold oder Glaskohlenstoff, die zweite Arbeitselektrode ist ein Ring aus Platin.
Wie die im vorherigen Abschnitt beschriebenen RDEs werden auch RRDEs zur Erzeugung einer laminaren Strömung eingesetzt. Forscher verwenden RRDEs hauptsächlich in Elektrokatalyse-Experimenten, um die Leistung verschiedener Katalysatoren zu messen. RRDEs werden auch zur Untersuchung von Reaktionsmechanismen eingesetzt. So wird zum Beispiel die Produktion von Wasserstoffperoxid während der Sauerstoffreduktionsreaktion durch die Detektion von Reaktionszwischenprodukten untersucht Die RRDE spielt auch eine wichtige Rolle bei der Untersuchung von Galvanisierprozessen.
Rotierende Zylinderelektrode
Die rotierende Zylinderelektrode (RCE) ist ein Zylinder mit einem metallischen Einsatz, der als aktive Oberfläche dient (Abbildung 7).
RCEs werden hauptsächlich in Korrosionsstudien verwendet, um die turbulente Strömung entlang der RCE zu nutzen, da ein ähnliches Verhalten besteht zwischen der turbulenten Strömung entlang der RCE und der turbulenten Strömung im Innern einer Rohrleitung mit bestimmter Dicke und Durchmesser. So wird die RCE beispielsweise häufig in der petrochemischen Industrie eingesetzt, um die Wirkung verschiedener Korrosionsinhibitoren auf die Rohrleitungen zu untersuchen, wobei entweder die lineare Polarisation (LP) oder elektrochemische Impedanzspektroskopie (EIS) zum Einsatz kommt.
Darüber hinaus kann mit der RCE das Verhalten von Schutzschichten untersucht werden, wodurch direkte und teure Messungen vor Ort an den Rohrleitungen selbst, vermieden werden.
Fazit
Elektrochemische Untersuchungen, die hydrodynamische Bedingungen erfordern, können mit rotierenden Arbeitselektroden durchgeführt werden, um eine erzwungene Konvektion in der Messzelle zu erzeugen. Im Labor können sowohl laminare als auch turbulente Strömungsbedingungen erzeugt werden, so dass verschiedenste Forschungsstudien möglich sind. Die Rotierende Scheibenelektrode (RDE) und die Rotierende Ringscheibenelektrode (RRDE) eignen sich für die Erzeugung einer laminaren Strömung, während die Rotierende Zylinderelektrode (RCE) die erste Wahl für die Erzeugung turbulenter Strömungsbedingungen ist.
RDEs werden häufig verwendet, um Elektrolyteigenschaften, Wirksamkeit von Katalysatoren und den Detektionsmechanismus in Sensoren zu untersuchen. RRDEs werden ebenfalls zur Untersuchung der Katalysatorwirksamkeit, sowie zur Untersuchung von Galvanisier- und Reaktionsmechanismen eingesetzt. RCEs finden ihre Anwendung vor allem bei Korrosionsstudien in Rohrleitungen und zur Untersuchung des Verhaltens von Schutzbeschichtungen.