Wasserstoff – sauber und grün?
Aufgrund seiner hohen gravimetrischen Energiedichte und fehlenden Schadstoffemission, ist «grüner Wasserstoff» ein sauberer und nachhaltiger Energieträger, von dem erwartet wird, dass er sich zu einem der Kraftstoffe der Zukunft entwickelt. Grüner Wasserstoff wird mit erneuerbaren Energiequellen hergestellt und kann durch die Verwendung sauberer Kraftstoffe dazu beitragen, die globale Erwärmung abzuschwächen.
Mit Elektrolyse grünen Wasserstoff erzeugen
Der günstigste Weg zur Herstellung von grünem Wasserstoff ist die Wasserspaltung durch Elektrolyse, bei der Wasser (H2O) mit Hilfe von elektrischem Gleichstrom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Die Elektrolyse ist eine hochentwickelte Technik, die seit vielen Jahrzehnten in der Industrie eingesetzt wird. Der Nachteil dieser Technik zur Herstellung von Wasserstoff liegt in der trägen Reaktionskinetik bei der Verwendung billiger Katalysatoren oder in den hohen Kosten für optimierte Katalysatoren (z. B. Platin). Um Wasserstoff auf effiziente und wirtschaftliche Weise zu erzeugen, ist es das Ziel von Forschern weltweit, Katalysatoren für diesen Zweck zu entwickeln, Katalysatoren, die hochaktiv, kostengünstig und über lange Zeiträume stabil sind.
In diesem Artikel wird näher erläutert, wie Metrohm-Potentiostaten zur Charakterisierung neu entwickelter Katalysatoren für die elektrochemische Wasserstofferzeugung eingesetzt werden können.
Elektrodenreaktionen
Betrachtet man alkalische Lösungen, kann die Wasserspaltungsreaktion durch zwei Halbreaktionen beschrieben werden (Abbildung 1):
- Wasserstoffentwicklungsreaktion (HER) an der Kathode
- Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER) an der Anode
Ein kritischer Punkt bei der Wasserspaltung ist die langsame Reaktionskinetik der Halbreaktionen. Um dies zu überwinden, müssen Elektrokatalysatoren entwickelt werden, die die Aktivierungsenergie auf einen akzeptablen Wert senken. Bei einem idealen Katalysator müsste eine Spannung von 1,23 V (bei 20 °C und 1013 mbar) angelegt werden, um die Wasserstoff- und Sauerstoffentwicklung zwischen den Elektroden beginnen zu lassen. Leider müssen bei der Verwendung von Katalysatoren in der Praxis Spannungen über 1,8 V angelegt werden.
Anforderungen an geeignete Katalysatoren
Katalysatoren
für die Produktion von grünem Wasserstoff aus elektrochemischen Wasserspaltungsreaktionen müssen bestimmte Eigenschaften aufweisen. Sie müssen:
- aktiv sein
- stabil sein
- hocheffizient wirken
- kostengünstig sein
Die ersten drei Eigenschaften können durch elektrochemische Messtechniken unter Verwendung eines Potentiostaten bestimmt werden.
Aktivität
Die Aktivität eines Katalysators wird durch drei Werte charakterisiert:
Überspannung
Tafelsteigung
Austauschstromdichte
Diese können aus der in Abbildung 2 dargestellten Polarisationskurve ermittelt werden.
Lineare Polarisation
Zur Aufnahme einer Polarisationskurve (Abbildung 2) wird ein Potentiostat in Verbindung mit einem Drei-Elektroden-Aufbau verwendet. Die Arbeitselektrode ist mit dem zu charakterisierenden Katalysator beschichtet. Ein typischer Aufbau für diese Messung ist in Abbildung 3 dargestellt.
Während der Messung wird das Potential (ausgehend von einem definierten Anfangspotential) über ein bestimmtes Zeitintervall (Abbildung 4) kontinuierlich (linear) bis zum Endpotential abgefahren. Bei HER-Katalysatoren wird das Potential im Vergleich zum Anfangspotential in negative Richtung verschoben; bei Katalysatoren, die für OER-Zwecke vorgesehen sind, wird das Potential im Vergleich zum Anfangspotential in positive Richtung verschoben.
Der Überspannung (η) ist ein sehr wichtiger Parameter zur Bewertung der Aktivität des Katalysators; sein Wert wird durch die kinetische Barriere für die Reaktion beeinflusst. Um diese Barriere zu überwinden, muss ein höheres Potential als das thermodynamische Potential (1,23 V für OER bzw. 0 V für HER) – die Überspannung (Überpotential) – angelegt werden, um die gleichen Stromdichten zu erreichen. Je aktiver der Katalysator ist, desto geringer ist die Überspannung.
Tafel-Analyse
Neben der Überspannung sind die Tafelsteigung und die Austauschstromdichte zwei weitere Parameter, die zur Charakterisierung der Aktivität des Katalysators beitragen. Sie lassen sich ermitteln, indem der Logarithmus der kinetischen Stromdichte gegen die Überspannung aufgetragen wird, um den sogenannten «Tafel plot» zu erstellen (Abbildung 5).
Durch Auswertung des Tafel Plots können diese beiden wichtigen kinetischen Parameter extrahiert werden. Die Tafelsteigung (b), kann durch folgende Gleichung ausgedrückt werden:
η = a + b log i
- η = Überpotential
- i = Stromdichte
Die Austauschstromdichte (i0), kann durch Extrapolation des Stroms auf Null Überspannung erhalten werden (Abbildung 6).
Die Tafelsteigung hängt mit dem katalytischen Reaktionsmechanismus in Bezug auf die Elektronentransferkinetik zusammen. Beispielsweise führt eine schnellere elektrokatalytische Reaktionskinetik zu einer kleineren Tafelsteigung, was sich in einem signifikanten Anstieg der Stromdichte als Funktion der Änderung des Überpotentials zeigt (Abbildung 6).
Koutecký- und Levich-Analyse
Die Austauschstromdichte (i kin0) beschreibt den Ladungstransfer unter Gleichgewichtsbedingungen. Eine höhere Austauschstromdichte bedeutet eine höhere Ladungstransferrate und ein niedrigere Reaktionsbarriere. Wie bereits in diesem Artikel erläutert, werden für einen besseren Elektrokatalysator eine geringere Tafelsteigung und eine höhere Austauschstromdichte erwartet.
Bei realen Experimenten ist der Massentransport der limitierende Faktor bei höheren Überspannungen (Abbildung 5), was zu einer nichtlinearen Steigung des Tafel Plots führt.
Um die unerwünschten Auswirkungen des Massentransports (z. B. Diffusion) zu vermeiden, wird eine rotierende Scheibenelektrode (RDE) (Abbildung 3) wird eingesetzt. Das Stromsignal wird daher bei unterschiedlichen Rotationsgeschwindigkeiten gemessen. Aus diesem Datensatz ist es möglich, den reinen kinetischen Strom (i kin0) gemäß Koutecký und Levich (Abbildung 6) zu extrahieren.
Weitere Informationen zur Koutecký- und Levich-Analyse finden Sie in unserer kostenlosen Application Note:
Sauerstoffreduktionsreaktion mit der rotierenden Ringscheibenelektrode
Impedanzanalyse
Zur Bestimmung der Reaktionskinetik von Katalysatoren kann eine weitere Messtechnik eingesetzt werden: Elektrochemische Impedanzspektroskopie (EIS). Einer der wichtigsten Vorteile der Impedanzspektroskopie ist, dass es sich um eine zerstörungsfreie und nichtinvasive Messtechnik handelt. Dadurch können an derselben Probe mehrere aufeinander folgende Messungen durchgeführt werden, z. B. Experimente bei unterschiedlichen Temperaturen oder Stromdichten. Auch die Alterungseffekte von Katalysatoren lassen sich auf diese Weise leicht bestimmen.
Die Impedanzspektroskopie ist eine Wechselstromtechnik (AC), bei der eine Wechselspannung mit einer sehr kleinen Amplitude von einigen Millivolt an die Elektrode angelegt wird, die wiederum mit einem Wechselstrom antwortet. Die Werte des angelegten Spannungssignals und die Werte des entsprechenden Stromsignals werden zur Berechnung des Wechselstromwiderstands - der Impedanz - genutzt. Es wird ein breiter Frequenzbereich von mehreren Dekaden verwendet, was die Identifizierung der kinetischen Prozesse und der Transportprozesse ermöglicht, die auf der Elektrode über verschiedene Zeitskalen ablaufen.
Die Darstellung der Impedanzspektren in einem Nyquist-Diagramm (Abbildung 7) zeigt den Ladungstransferwiderstand der Reaktion als Halbkreis. Der Durchmesser dieses Halbkreises entspricht der Reaktionskinetik: je kleiner der Durchmesser, desto schneller die Kinetik der Reaktion.
Die elektrochemische Impedanzspektroskopie liefert Forschern nicht nur kinetische Informationen, sondern gibt auch Aufschluss über Massentransporteffekte und die Leitfähigkeit von Elektrolyten sowie Membranen.
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Anwendungshinweise zur elektrochemischen Impedanzspektroskopie
Stabilität
Für den industriellen Einsatz sollte ein Katalysator eine extrem niedrige Abbaurate aufweisen. Es muss über viele Betriebsstunden hinweg stabil sein. In der Entwicklungsphase ist die Stabilität ein wichtiger Faktor, um festzustellen, ob ein Katalysator das Potenzial für den Einsatz in praktischen Anwendungen hat. Die Stabilität kann durch die Änderungen des Überpotentials oder des Stroms über die Zeit charakterisiert werden, mittels Chronoamperometrie, Chronopotentiometrie, und Cyclovoltammetrie. Diese Messtechniken werden in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Chrono-Methoden (Chronoamperometrie und Chronopotentiometrie)
Bei der Chronoamperometrie-Methode wird eine konstante Spannung an den Katalysator angelegt, das entsprechende Stromsignal gemessen und als i/t-Kurve dargestellt (Abbildung 8).
Im Gegensatz dazu wird bei der Chronopotentiometrie-Methode ein konstanter Strom an den Katalysator angelegt, die Spannungsantwort gemessen und als E/t-Kurve aufgezeichnet (Abbildung 9). Bei dieser Messung ist die Stabilität des Katalysators umso besser, je länger der geprüfte Strom oder das Potential konstant bleibt.
Cyclovoltammetrie (CV)
Bei der Cyclovoltammetrie wird die Stromdichte gemessen, indem das Potential der Arbeitselektrode linear über die Zeit zyklisiert wird (Abbildung 10). Im Gegensatz zur linear sweep voltammetry (Abbildung 4), wird das Potential bei einem CV-Experiment nach dem Erreichen des Endpotentials in die entgegengesetzte Richtung gescannt, um zum Anfangspotential zurückzukehren.
Um die Abbaurate eines getesteten Katalysators zu bestimmen, müssen in der Regel mehr als 5000 Zyklen mit einer Scanrate zwischen 50–100 mV/s durchgeführt werden. Vor und nach den CV-Zyklen wird die linear sweep voltammetry (LSV) verwendet, um die Überspannungsverschiebung bei einer bestimmten Stromdichte zu untersuchen.
Je kleiner die Änderung des Überpotentials ist, desto besser ist die Stabilität des Elektrokatalysators.
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Unterschiede zwischen digitalen Scans, analogen Scans und Signalintegration
Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad (η) kann durch den faradayschen Wirkungsgrad (oder coulombschen Wirkungsgrad) anhand von experimentellen Ergebnissen im Vergleich zu theoretischen Vorhersagen bestimmt werden.
Um das theoretische Wasserstoffvolumen über das Faradaysche Gesetz berechnen zu können, wird die Gesamtladung benötigt. Dieser Wert wird vom Potentiostaten mit der Chronocoulometrie-Methode gemessen, welche die Gesamtladung über die Zeit aufzeichnet (Abbildung 11).
Fazit
Die Wahl der richtigen Technik zur Analyse von Aktivität, Stabilität und Effizienz von Katalysatoren hängt vom jeweiligen Schwerpunkt des Forschungs- und Entwicklungsprojekts ab. Glücklicherweise bietet Metrohm eine große Auswahl an Lösungen an, um alle Arten von Forschungsanforderungen zu erfüllen.
Ihr Wissen zum Mitnehmen
Broschüre: Elektrokatalyse – Komplettlösungen für Elektrokatalyse- und Zwangskonvektionsmessungen