Titrationen können auf verschiedene Weise klassifiziert werden: nach ihrer chemischen Reaktion (z. B. Säure-Base-Titration oder Redoxtitration), Art der Endpunktsindikation (z. B. potentiometrische Titration oder photometrische Titration) und nicht zuletzt nach ihrem Titrationsprinzip (direkte Titration oder indirekte Titration). In diesem Artikel möchte ich auf ein spezielles Titrationsprinzip eingehen: die Rücktritation als spezielle Form der indirekten Titration. Erfahren Sie mehr darüber, wann sie verwendet wird und wie Sie die Ergebnisse berechnen sollten, wenn Sie das Prinzip der Rücktitration verwenden.
Was ist eine Rücktitration?
Im Gegensatz zu direkten Titrationen, bei denen der Analyt A direkt mit dem Titriermittel T reagiert, sind Rücktitrationen eine Unterkategorie der indirekten Titrationen. Indirekte Titrationen werden eingesetzt, wenn z. B. kein geeigneter Sensor zur Verfügung steht oder die Reaktion für eine praktische direkte Titration zu langsam ist.
Bei einer Rücktitration wird dem Analyten A ein genaues Volumen von Reagenz B zugesetzt. Reagenz B ist in der Regel selbst ein gängiges Titriermittel. Die Menge an Reagenz B wird so gewählt, dass nach der Wechselwirkung mit dem Analyten A ein Überschuss verbleibt. Dieser Überschuss wird dann mit dem Titriermittel T titriert. Die Menge des Analyten A kann dann aus der Differenz zwischen der zugegebenen Menge an Reagenz B und dem verbleibenden Überschuss an Reagenz B bestimmt werden.
Wie bei jeder Titration müssen beide beteiligten Reaktionen quantitativ sein, und die stöchiometrischen Faktoren für beide Reaktionen müssen bekannt sein.
Wann werden Rücktitrationen eingesetzt?
Rücktitrationen werden vor allem in folgenden Fällen eingesetzt:
- wenn der Analyt flüchtig ist (z. B. NH3) oder ein unlösliches Salz darstellt (z. B. Li2CO3)
- wenn die Reaktion zwischen dem Analyt A und dem Titriermittel T zu langsam für eine praktische direkte Titration ist
- Wenn es sich um Reaktionen zwischen schwachen Säuren und schwachen Basen handelt
- wenn keine geeignete Indikationsmethode für eine direkte Titration verfügbar ist
Typische Beispiele sind komplexometrische Titrationen, zum Beispiel Aluminium mit EDTA. Als direkte Titration kann sie nur bei erhöhten Temperaturen ausgeführt werden. Als Rücktitration funktioniert die Bestimmung von Al mit EDTA hingegen schon bei Raumtemperatur. EDTA wird im Überschuss der Aluminiumprobe zugesetzt und die Rücktitration des überschüssigen EDTA erfolgt mit Kupfersulfat. Das gilt nicht nur für Aluminium, sondern auch für andere Metalle.
In unserer kostenlosen Monographie über komplexometrische Titration erfahren Sie, welche Metalle direkt titriert werden können und für welche eine Rücktitration besser geeignet ist.
Monographie: Komplexometrische (chelatometrische) Titrationen
Weitere Beispiele sind die Verseifungszahl und die Jodzahl für Speisefette und -öle. Für die Verseifungszahl wird dem Fett oder Öl ethanolische KOH im Überschuss zugesetzt. Nach einer bestimmten Rückflusszeit zur Verseifung des Öls oder Fetts wird der verbleibende Überschuss mit Salzsäure zurücktitriert. Ähnlich verhält es sich mit der Jodzahl, wobei der verbleibende Überschuss an Jodchlorid (Wijs-Lösung) mit Natriumthiosulfat rücktitriert wird.
Weitere Informationen über die Analyse von Speisefetten und -ölen finden Sie in unserem entsprechenden kostenlosen Application Bulletin AB-141.
Wie wird eine Rücktitration durchgeführt?
Eine Rücktitration erfolgt gemäß folgendem allgemeinen Prinzip:
- Reagenz B wird im Überschuss zum Analyten A gegeben.
- Reagenz B mit dem Analyten A reagieren lassen. Dies kann eine gewisse Wartezeit oder sogar einen Rückfluss (z. B. Verseifungswert) erfordern.
- Titration des verbleibenden Überschusses an Reagenz B mit Titriermittel T.
Für den ersten Schritt ist es wichtig, das Volumen des Reagenzes B genau zu dosieren. Daher ist es wichtig, für diese Zugabe eine Bürette zu verwenden (Abbildung 2).
Außerdem ist es wichtig, dass die genaue molare Menge des Reagenzes ist B bekannt ist. Dies kann auf zwei Arten erreicht werden. Die erste Möglichkeit besteht darin, eine Blindwertbestimmung in der gleichen Weise wie die Rücktritation der Probe durchzuführen, wobei jedoch die Probe weggelassen wird. Handelt es sich bei Reagenz B um ein gebräuchliches Titriermittel (z. B. EDTA), kann vor der Rücktitration auch eine Standardisierung von Reagenzien sein B durchgeführt werden.
In jedem Fall ist eine Standardisierung des Titriermittels T erforderlich. Daraus ergeben sich dann die folgenden zwei allgemeinen Analyseverfahren:
Rücktitration mit Blindwert
- Titerbestimmung des Titriermittels T
- Blindwertbestimmung (Rücktitration unter Weglassen der Probe)
- Rücktitration der Probe
Rücktitration mit Standardisierungen
- Titerbestimmung des Titriermittels T
- Titerbestimmung des Reagenzes B
- Rücktitration der Probe
Beachten Sie: Da Sie eine Rücktitration durchführen, ist das Volumen des Blindwertes größer als das Volumen des Äquivalenzpunktes (EP), im Gegensatz zu einem Blindwert bei einer direkten Titration. Deshalb muss das EP-Volumen vom Blindwert bzw. dem zugegebenen Volumen von Reagenz B abgezogen werden.
Weitere Informationen zur Standardisierung von Titriermitteln finden Sie in unserem Blogbeitrag zu diesem Thema.
Was ist bei der Standardisierung des Titriermittels zu beachten?
Wie berechnet man das Ergebnis einer Rücktitration?
Wie bei den direkten Titrationen muss man zur Berechnung des Ergebnisses einer Rücktitration neben den genauen Konzentrationen und Volumen auch die beteiligten stöchiometrischen Reaktionen kennen. Je nachdem, welches der oben beschriebenen Analyseverfahren verwendet wird, ist die Berechnung des Ergebnisses leicht unterschiedlich.
Bei einer Rücktitration mit Blindprobe erhält man mit der folgenden Formel ein Ergebnis in Masse-%:
VBlank: Volumen des Äquivalenzpunktes aus der Blindwertbestimmung in ml
VEP: Volumen am Äquivalenzpunkt in ml
CTitrant: Nominelle Titriermittelkonzentration in mol/L
fTitrant: Titerfaktor des Titriermittels (ohne Einheit)
r: Stöchiometrisches Verhältnis (ohne Einheit)
MA: Molekulargewicht des Analyten A in g/mol
MSample: Gewicht der Sonde in mg
100: Umrechnungsfaktor, um das Ergebnis in % zu erhalten
Das stöchiometrisches Verhältnis r berücksichtigt beide Reaktionen, Analyt A mit Reagenz B und Reagenz B mit Titriermittel T. Ist der stöchiometrische Faktor immer 1, wie z. B. bei komplexometrischen Rücktitrationen oder dem Verseifungswert, so ist auch das Reaktionsverhältnis 1. Ist der stöchiometrische Faktor für eine Reaktion jedoch nicht gleich 1, muss das Reaktionsverhältnis bestimmt werden. Das Reaktionsverhältnis kann auf folgende Weise bestimmt werden:
- Reaktionsgleichung zwischen A und B
- Reaktionsgleichung zwischen B und T
- Multiplikation der beiden Reaktionsquotienten
Beispiel 1
Beispiel 2
Nachfolgend ein konkretes Beispiel für Lithiumcarbonat, das durch Rücktitration mit Schwefelsäure und Natriumhydroxid bestimmt werden kann.
Das Lithiumcarbonat reagiert im Verhältnis 1:1 mit Schwefelsäure. Um den Schwefelsäureüberschuss zu bestimmen, werden zwei Mol Natriumhydroxid pro Mol Schwefelsäure benötigt, was ein Verhältnis von 1:2 ergibt. Daraus ergibt sich ein stöchiometrisches Verhältnis r von 0,5 für diese Titration.
Für eine Rücktitration mit einer Standardisierung von Reagenz B verwenden Sie die folgende Formel, um ein Ergebnis in Masse-% zu erhalten:
VB: Zugesetztes Volumen des Reagenz B in mL
cB: Nominelle Konzentration des Reagenzes B in mol/L
fB: Titer von Reagenz B (dimensionslos)
VEP: Volumen am Äquivalenzpunkt in mL
cT: Nennkonzentration des Titriermittels T in mol/L
fT: Titer des Titriermittels T (dimensionslos)
sBT: Stöchiometrischer Faktor zwischen Reagenz B und Titriermittel T
sAB: Stöchiometrischer Faktor zwischen dem Analyten A und dem Reagenz B
MA: Molekulargewicht des Analyten A in g/mol
mSample: Gewicht der Probe in mg
100: Umrechnungsfaktor, um das Ergebnis in % zu erhalten
Moderne Titratoren sind in der Lage, die Ergebnisse von Rücktitrationen automatisch zu berechnen. Alle Informationen zu den verwendeten Variablen (z. B. Blindwert) werden zusammen mit dem Ergebnis gespeichert, um eine vollständige Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.
Zusammenfassung:
Rücktitrationen unterscheiden sich nicht so sehr von regulären Titrationen und es gelten dieselben allgemeinen Grundsätze. Die folgenden Punkte sind für eine Rücktitration erforderlich:
- Die stöchiometrischen Reaktionen zwischen dem Analyten und Reagenz B sowie zwischen Reagenz B und Titriermittel T müssen bekannt sein.
- Die genaue Konzentration des Titriermittels T muss bekannt sein.
- Die genaue Konzentration Ihres Reagenzes B muss bekannt sein oder es ist ein Blindbestimmung erforderlich.
- Verwenden Sie zur Analyse geeignete Titrationsparameter.
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Sie Ihre Titration optimieren können, lesen Sie unseren Blog-Eintrag unten, in dem Sie praktische Tipps zur Optimierung Ihrer Titrationen finden.
So übertragen Sie die manuelle Titration auf die Autotitration
Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie Sie die genaue Konzentration Ihres Titriermittels T oder Reagenz B durch Titerstellung (Standardisierung) bestimmen können, dann lesen Sie unseren entsprechenden Blog-Eintrag hier.
Was ist bei der Standardisierung des Titriermittels zu beachten?