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Kunst zu erhalten und vor Schäden zu schützen, kann eine komplizierte Angelegenheit sein. Restauratoren bemühen sich, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Artefakts und der Wahrung der ursprünglichen künstlerischen Intention zu finden. Glücklicherweise gibt es einumfangreiches wissenschaftliches Instrumentarium, das Restauratoren bei der Analyse aller Aspekte, von der Pigmentzusammensetzung bis hin zum Alter der Artefakte, unterstützt und ihnen bei der Auswahl der Konservierungsmethoden hilft. Es kann eine herausfordernde Aufgabe sein, zerstörungsfreie Techniken zu finden, doch genau hierfür stellt die Elektrochemie eine geeignete Lösung dar und kann somit einen wichtigen Beitrag zur Kunsterhaltung leisten. Im Folgenden stellen wir drei Beispiele vor, die zeigen, welche Rolle die Elektrochemie beim Schutz von Kunst für künftige Generationen spielt.

Die folgenden Themen werden behandelt (klicken Sie, um direkt zu den einzelnen Themen zu springen): 

Kontrolle der Korrosion von Beschichtungen durch elektrochemische Techniken

Die Anwendung der Elektrochemie in der Korrosionswissenschaft ist bekannt. Sie umfasst unter anderem die Applikation und Untersuchung unterschiedlicher Beschichtungen auf Metallen, um deren Korrosionsbeständigkeit zu verbessern.

Ein ähnlicher Ansatz, bei dem die Techniken des Polarisationswiderstands (PR) und der elektrochemischen Impedanzspektroskopie (EIS) zum Einsatz kommen, kann auf historisch und kulturell bedeutsame Metallartefakte angewandt werden, die anfällig für Korrosion sind. Ein hoher Polarisationswiderstand deutet auf einen besseren Schutz vor Korrosion hin. Der Hauptunterschied zwischen dieser Anwendung und den typischeren industriellen Korrosionsuntersuchungen besteht darin, dass die Beschichtung ein ansprechendes ästhetisches Erscheinungsbild behalten muss ((d. h. sie muss so transparent wie möglich sein) [1].

In einer elektrochemischen Studie, durchgeführt in Bologna (Italien), wurde die Wirksamkeit verschiedener Beschichtungen auf einer Probe feuervergoldeter Bronze untersucht [2]. Mittels elektrochemischer Analyse wurde die Korrosionsrate unter verschiedenen Laborbedingungen bestimmt. Dieser Test wurde auf reale Bedingungen übertragen, um zu ermitteln, wie sich die verschiedenen aufgetragenen Beschichtungen auf die Korrosion eines realen Artefakts auswirken könnten. In diesem Fall diente die analysierte Probe als Nachbildung der Paradiespforte (Abbildung 1) [2]. In Abbildung 1 ist ebenso ein typisches Ersatzschaltbild für ein Metall in korrodierender Umgebung und ein Nyquist-Diagramm dargestellt, die zusammen zur Schätzung des Polarisationswiderstands verwendet werden können.

Abbildung 1. Links: Paradiespforte des Bildhauers Lorenzo Ghiberti, ein Paar vergoldeter Bronzetüren im Baptisterium von Florenz. Rechts: Der Fit der EIS-Daten an das richtige Ersatzschaltbild ermöglicht die Schätzung von Rp, dem Polarisationswiderstand.

EIS wurde auch bei Bronzestatuen eingesetzt, um die elektrochemische Stabilität (Korrosionsbeständigkeit) sowohl der darunter liegenden Bronze als auch der Patina zu testen, die sich oft in korrosiven städtischen Umgebungen bildet [3]. In diesem Fall sind Raman-Spektroskopie und kombinierte spektroelektrochemische Techniken (mehr dazu weiter unten) von unschätzbarem Wert für die Bestimmung der chemischen Zusammensetzung der Patina. Beide Techniken (EIS und Raman) wurden auch zur Untersuchung der Zusammensetzung von Patina auf alten Bronzemünzen eingesetzt [4].

Reinigung und Restaurierung von Kunstwerken mittels Elektrochemie

Ein Teil der Arbeit eines Restaurators besteht darin, beschädigte Artefakte in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, oder so nahe wie möglich an diesen heranzukommen. Dies geschieht oft durch abrasive Reinigung oder Eintauchen in chemische Reinigungslösungen. Dies ist jedoch nicht immer möglich, insbesondere wenn das Artefakt komplizierte Details aufweist. 

Das Rijksmuseum in Amsterdam stand vor genau solch einem Problem. Um seine einzigartigen Artefakte zu bewahren, beschäftigt das Museum ein Team von Restauratoren, die sich auf verschiedene Materialien, darunter auch Metalle wie Silber, spezialisiert haben. Zu diesem Team gehört Joosje van Bennekom, eine leitende Metallrestauratorin, die sich der Herausforderung stellte, ein empfindliches silbernes Tischornament zu restaurieren, das 1549 von Wenzel Jamnitzer hergestellt wurde (Abbildung 2).

Ein häufiges Problem bei Silber ist das Anlaufen. Dieses tritt auf, wenn Silber mit Schwefelverbindungen in der Luft reagiert und dabei Silbersulfid (Ag2S) bildet. Es entsteht die typische schwarze Farbe, die mit dem Anlaufen einhergeht. Bei herkömmlichen Methoden zur Entfernung von Anlauffarben bestand die Gefahr, dass die komplizierten Kunstwerke beschädigt werden. Daher wurde eine innovative Lösung entwickelt: ein elektrolytischer Stift. Dieses in Zusammenarbeit mit Forschern und Ingenieuren entwickelte Werkzeug ermöglicht eine präzise, punktuelle Reinigung angelaufener Silberoberflächen, ohne das Risiko einer Beschädigung.

Abbildung 2. Von links nach rechts: Der silberne Tischschmuck, der gereinigt werden musste, eine Nachbildung der Details, die zum Testen des Prototyps des elektrolytischen Stifts angefertigt wurde, und die Reinigung eines der Stücke aus der Schatzkammer der Abtei Saint-Maurice d'Agaune.

Der elektrolytische Stift löst diese Herausforderung, indem er einen kontrollierten, lokalisierten Reinigungsprozess bietet. Dabei wird durch Elektrolyse das Silbersulfid selektiv reduziert und die Oberfläche wiederhergestellt, ohne die empfindlichen Strukturen des Kunstwerks zu beschädigen. Trotz anfänglicher technischer Herausforderungen, darunter Stabilitäts- und Leckageprobleme, hat der Stift seine Wirksamkeit bei der Restaurierung von mittelalterlichem Silberbesteck in der Schweizer Abtei Saint-Maurice d'Agaune unter Beweis gestellt (Abbildung 2). Da der Erfolg online dokumentiert wurde und das Design frei verfügbar ist, wurde der elektrochemische Stift seitdem bei einer Vielzahl anderer Artefakte eingesetzt [5,6]. 

Elektrochemische oberflächenverstärkte Raman-Spektroskopie (EC-SERS) zur zerstörungsfreien Pigmentanalyse

Die Raman-Spektroskopie hat sich als leistungsfähige Technik in der Kunstkonservierung erwiesen [7]. Bei der herkömmlichen Raman-Spektroskopie wird ein Laserstrahl auf eine Probe gerichtet und das gestreute Licht analysiert, um die für bestimmte Materialien charakteristischen Molekülschwingungen zu identifizieren. Diese Technik wird häufig zur Analyse von Pigmenten, Farbstoffen, Lacken und anderen organischen und anorganischen Materialien eingesetzt, die in Kunstwerken verwendet werden. Solange die Laserleistung einstellbar ist, eignet sich diese zerstörungsfreie Technik besonders für die Untersuchung empfindlicher oder unersetzlicher Objekte.

Erfahren Sie mehr über die Raman-Spektroskopie in unserer Blogserie.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Raman-Spektroskopie: Theorie und Anwendung


Das inhärent schwache Raman-Signal erschwert häufig den Nachweis bestimmter Verbindungen. Ein Bereich der Weiterentwicklung der Raman-Spektroskopie ist die Entwicklung der oberflächenverstärkten Raman-Spektroskopie (SERS) und der kombinierten (gekoppelten) elektrochemischen oberflächenverstärkten Raman-Spektroskopie (EC-SERS). EC-SERS kombiniert die Prinzipien der Raman-Spektroskopie mit der Elektrochemie, um die Signalstärke und Empfindlichkeit des Raman-Spektrums zu erhöhen.


Weitere Informationen über SERS und EC-SERS finden Sie in unseren entsprechenden Blogartikeln.

Raman vs. SERS … Was ist der Unterschied?

Raman-Spektroelektrochemie von Indien bis Spanien: Geschichte und Anwendungen



Eine von Forschern in Nordamerika veröffentlichte Studie befasst sich mit der Identifizierung von polyphenolischen Komponenten in Gelblackpigmenten (yellow lake pigments), die häufig in Gemälden und anderen Kunstwerken verwendet werden [8]. Herkömmliche Methoden zur Analyse dieser Pigmente erfordern oft komplexe Trennungsschritte. EC-SERS hingegen ermöglicht die direkte Analyse dieser Pigmente, ohne dass eine Trennung erforderlich ist und bietet so einen zusätzlichen Nutzen zur Kunsterhaltung.

Die Forscher demonstrieren die Wirksamkeit von EC-SERS, indem sie einzelne polyphenolische Verbindungen, eine Modellfarbstoffmischung und zwei echte Gelblackpigmente analysieren:  Reseda Lack und Stil-de-Grain (Schüttgelb)(Abbildung 3). Durch Anlegen einer Spannung an das SERS-Substrat sind sie in der Lage, verschiedene Farbstoffkomponenten in den Pigmenten selektiv nachzuweisen. Auf diese Weise können sie das Vorhandensein mehrerer Polyphenole in jedem Pigment feststellen, was mit herkömmlichen Methoden nur schwer oder gar nicht möglich wäre.

Abbildung 3. Die Farbe Stil-de-Grain und die polyphenolischen Verbindungen, aus denen viele der gelben Pigmente und Farbstoffe bestehen, die in Kunstwerken klassischer Künstler wie bspw. Rembrandt verwendet wurden. Unten links: ein kombiniertes (gekoppeltes) EC-Raman-System von Metrohm Autolab.

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen das Potential von EC-SERS als leistungsfähiges Instrument für die Kunsterhaltung. Durch die Bereitstellung einer empfindlichen, selektiven und zerstörungsfreien Methode zur Analyse natürlicher Pigmente kann EC-SERS den Restauratoren helfen, Kunstwerke besser zu verstehen und zu erhalten.

Fazit

Die Elektrochemie hat sich als wertvoller Bestandteil des analytischen Instrumentariums für Kunstkonservatoren/Restauratoren erwiesen. Weitere Applikation-Beispiele untermauern diesen Punkt. Dazu gehört bspw. die VIMP (Voltammetrie immobilisierter Partikel), mit deren Hilfe Farben, Öle und Grundierungen anhand ihrer Redox-Signatur im ng-Bereich identifiziert werden können [9]. Die elektrochemische Signatur von Materialkomponenten wurde auch als Methode zur genauen Datierung von Artefakten und deren Authentifizierung als Originale verwendet [10].

Für eine breite Anwendung dieser Techniken ist eine Zusammenarbeit erforderlich, und mit zunehmendem Interesse werden die Verfahren sicherlich auch für Laien leichter zugänglich. 

[1] Cano, E.; Bastidas, D. M.; Argyropoulos, V.; et al. Electrochemical Characterization of Organic Coatings for Protection of Historic Steel Artefacts. J. Solid State Electrochem. 2010, 14 (3), 453–463. DOI:10.1007/s10008-009-0907-1

[2] Chiavari, C.; Bernardi, E.; Balbo, A.; et al. Atmospheric Corrosion of Fire-Gilded Bronze: Corrosion and Corrosion Protection during Accelerated Ageing Tests. Corros. Sci. 2015, 100, 435–447. DOI:10.1016/j.corsci.2015.08.013

[3] Mikić, D.; Otmačić Ćurković, H.; Kosec, T.; et al. An Electrochemical and Spectroscopic Study of Surfaces on Bronze Sculptures Exposed to Urban Environment. Materials 2021, 14 (8), 2063. DOI:10.3390/ma14082063

[4] Serghini-Idrissi, M.; Bernard, M. C.; Harrif, F. Z.; et al. Electrochemical and Spectroscopic Characterizations of Patinas Formed on an Archaeological Bronze Coin. Electrochimica Acta 2005, 50 (24), 4699–4709. DOI:10.1016/j.electacta.2005.01.050

[5] Ricotta, N.; Cagnini, A.; Degrigny, C. Analysis of Heterogeneous Tarnish on Silver-Based Alloys Using the Pleco for Local, Controlled Electrolytic Cleaning. In METAL2022; Helsinki, Finland, 2022.

[6] Ricotta, N.; Degrigny, C.; Cagnini, A.; et al. Design of a Suitable Cleaning Procedure for the Tarnished Silver Elements of the Reliquary Bust of Santa Vittoria, Diocesan Museum of Agrigento, Sicily. In METAL2019; Neuchâtel, Switzerland, 2020.

[7] Vieira, M.; Melo, M. J.; Conti, C.; et al. A Combined Approach to the Vibrational Characterization of Medieval Paints on Parchment: Handheld Raman Spectroscopy and Micro-SORS. J. Raman Spectrosc. 2024, 55 (2), 263–275. DOI:10.1002/jrs.6632

[8] M. Eisnor, M.; R. McLeod, K. E.; Bindesri, S.; et al. Electrochemical Surface-Enhanced Raman Spectroscopy (EC-SERS): A Tool for the Identification of Polyphenolic Components in Natural Lake Pigments. Phys. Chem. Chem. Phys. 2022, 24 (1), 347–356. DOI:10.1039/D1CP03301H

[9] Šatović, D.; Martinez, S.; Bobrowski, A. Electrochemical Identification of Corrosion Products on Historical and Archaeological Bronzes Using the Voltammetry of Micro-Particles Attached to a Carbon Paste Electrode. Talanta 2010, 81 (4), 1760–1765. DOI:10.1016/j.talanta.2010.03.037

[10] Doménech-Carbo, A. Electrochemical Dating: A Review. J. Solid State Electrochem. 2017, 21 (7), 1987–1998. DOI:10.1007/s10008-017-3620-5

Gekoppelte elektrochemische Raman-Spektroskopie: Eine weitere Dimension für Ihre Forschung

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Dieses White Paper dient als Einführung in die grundlegenden Prinzipien der Raman-Spektroskopie und erläutert die Kombination elektrochemischer Techniken mit der Raman-Spektroskopie als Mittel zum besseren Verständnis elektrochemischer Prozesse. Anhand von Beispielen aus der neueren Literatur wird die Leistungsfähigkeit der kombinierten EC-Raman-Technik veranschaulicht.

Autor
Taylor

Dr. James Taylor

Application Scientist und Area Manager
Metrohm Autolab, Utrecht, Niederlande

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